Reisen
Ist Urlaub das gleiche wie Reisen?
Ich habe mein Leben lang Urlaub gemacht, was bedeutet 1, 2 oder 3 Wochen irgendwo hin zu fahren und Ski zu fahren, einen Tauchkurs in Ägypten zu machen, oder ein Hotel auf Mallorca buchen, oder oder oder…
Bis ich 2018 – 2019 für ein Jahr ausgestiegen bin – ein Jahr lang nur mit einem Rucksack als Gepäck die Welt bereisen. Bei dieser Erfahrung habe ich einen Unterschied zwischen Urlaub und Reisen für mich gefunden.
Die Vorbereitung war eigentlich vergleichbar mit einer großen Urlaubsreise – Reisepass, Reiseversicherung, Reiseführer, Bucketliste, alles was man so braucht. Abgesehen davon gab es den Unterschied, daß ich mein Domizil untervermietet habe und ich etwas fragend vor meinem Kleiderschrank saß. Der Rucksack war gepackt, doch der Kleiderschrank sah genauso aus wie vorher und ich hatte weniger Gepäck dabei als bei meinem 3 wöchigen Urlaub durch Kalifornien…
Zugegeben, die Reiseziele waren eher in den warmen gebieten rund um den Äquator geplant, aber dennoch ist es ein merkwürdiges Gefühl, so viel Kleidung zu besitzen, die ich ein Jahr lang nicht benötigen werden. Da mein Haus vermietet war, mußte ich nun den Inhalt des Schrankes in Kartons einlagern. Ein perfekter Zeitpunkt zum ausmisten…
Und ein weiterer Unterschied zwischen Urlaub und Reisen hat sich mir tief eingebrannt. Nur einen Hinflug zu buchen und 3 Tage Unterkunft zum Ankommen. Der Rückflug und die gesamte Unterkunft ist in der Regel beim Urlaub bereits gebucht. Es ist aufregend und befreiend, nur einen Hinflug zu besitzen. Man sollte immer wissen, wann man das letzte Mal etwas zum ersten Mal gemacht hat.
Die Reise ging in Mexiko los. Die ersten 6 Wochen Yucatan. Spätestens nach den 6 Wochen habe ich die Bucketliste vernichtet. Ich habe realisiert, daß es nicht darauf ankommt, möglichst viele Orte zu sehen und ein Foto als Andenken mit zu nehmen. Die Welt ist zu groß und zu schön, als daß man alle Orte „schaffen kann“. Wie oft habe ich folgenden den Satz gehört, „I did Costa Rica“ oder irgendeinen anderen Ort. Kann man ein Land machen? Sieht Deutschland oder Hamburg im Winter genauso aus wie im Sommer? Oder welchen Eindruck hätte ich von Hamburg, wenn ich zufällig zum Schlagermove oder zum Hafengeburtstag da bin. Oder bevor es die Hafencity mit der Elphi gab oder erst danach? Könnte ich als Tourist also irgendwann sagen, „I did Hamburg“? Ich finde nicht. Und so habe ich meine Bucketliste vernichtet und freue mich jetzt schon darauf, einige Orte meiner Reise eines Tages wieder zu sehen.
Für mich hat die Weltreise noch einen ganz anderen, für mich unerwarteten Effekt gehabt. Wie lebt es sich ohne Wochentage, sogar „ohne“ Uhr. Wie fühlt es sich an, keine Termine zu haben, keine Geburtstage, kein Weihnachten und kein Stadionbesuch am Wochenende? Es gibt nicht mal ein Wochenende. Es gibt keinen Wecker, der einen erinnert irgendwas zu erledigen. Man muss nicht mal etwas erledigen, wie Arbeit, Hausarbeit oder irgendetwas sonst. Dafür muss man die Zeit irgendwie anders nutzen. In Vorbereitung auf die Reise habe ich das erste mal von einem Reise-Burn-Out gehört, dass nach ungefähr 2 Monaten häufiger auftritt. Ob dies stimmt, weiß ich nicht, aber ich kann es für mich bestätigen. Wie beschrieben hatte ich zunächst einen Reiseführer, eine Bucketliste und eine gute Vorbereitung was ich auf jeden Fall in Mexiko sehen möchte. Nach ungefähr 4-6 Wochen habe ich allerdings festgestellt, daß ich Orte und Erlebnisse gar nicht mehr zuordnen konnte. Habe ich den Rochen am ersten oder am vierten Strand beim Schnorcheln gesehen? Wo war nochmal…. Abgesehen von dem Rückblick kommen auch noch immer mehr „must have“ auf die Bucket Liste dazu, obwohl ich doch einfach nur auf der wunderschönen Insel Holbox bleiben möchte. Ich habe festgestellt, dass ich lernen musste damit umzugehen eine „unendliche Freiheit“ zu haben, Dinge zu tun, ohne zeitliche Begrenzung. Dabei kann es dazu führen, dass man sich Überfordert fühlt, weil man nicht mehr weiß, was man tun und was man nicht tun sollte. Man kann sich auch verloren fühlen, weil das zu Hause und der gewohnte Rückzugsort fehlt, genauso wie die Routinen, die man im Alltag hat. All dies habe ich auch an mir festgestellt und für mich folgende Lehren gezogen:
- Ich komme lieber 5 Mal zu einem wunderschönen Strand als jeweils einmal zu 5 unterschiedlichen wunderschönen Stränden
- Der reine Konsum von Orten und das speichern vom Selfi macht nicht die Erinnerung, sondern die zufälligen Momente, die einem überall passieren können. Rückblickend sind mir viele Menschen in Erinnerung geblieben, die ungeplant und häufig nur für einen Moment meinen Weg gekreuzt haben. Das bedeutet für mich, es ist nicht wichtig wo man seine Zeit verbringt, sondern wie.
- Es gibt nicht richtig oder falsch, denn jede Entscheidung öffnet neue Türen. Es ist nur wichtig, sich zu entscheiden, auch wenn es manchmal eine zunächst schlechte Entscheidung zu sein scheint.
- Bad ideas make the best memories, Zitat von „alle Farben :-)“
- I can do anything. But I cannot do everything
- You should always know, when you did something last time for the first time
Für eine Auszeit von mehreren Monaten habe ich mir Dinge gesucht, die ich lernen wollte. Klassische Beispiele ist eine Sprache, oder ein Hobby wie Tauchen oder Surfen. Oder natürlich einen Camper ausbauen und damit die Welt erkunden und phantastische Orte auf der Welt zu erkunden, die man nur entdeckt, in dem man fremden Leuten vertraut oder zufällige Begegnungen hat.
Ein klassisches Beispiel ist auf dem Flug von Chile nach Französisch Polinesien geschehen. Im Flugzeug in der Reihe vor mir saß ein Pärchen aus Holland. Wie es der Zufall will, sind wir ins Gespräch gekommen. Sie haben mich etwas verwirrt angesehen, als ich sagte, ich habe nur einen Hinflug und 3 Nächte in einem AirBnB in Französisch Polynesien gebucht. Nachdem wir uns auch über das Tauchen unterhalten haben, ist dann aber eine Idee für einen Flug nach Fakarawa dazu gekommen. In der besagten Unterkunft habe ich dann noch ein Pärchen von Morea kennen gelernt, die mich wiederum zu sich nach Hause eingeladen haben. Hätte ich einen festen Urlaub gebucht, wäre ich wohl nicht flexibel genug gewesen, um die Einladung nach Morea anzunehmen. Auch werden einige Pläne hin und wieder durch einen kaputten Reisebus oder eine Überschwemmung zerstört. Wenn man aber gar keine Pläne hat, können sie auch nicht gestört werden. So zu Reisen habe ich mir seit dem angewöhnt.
Dies ist ein Beispiel dafür, was für mich der Unterschied vom „Urlaub machen“ zum „Reisen“ ist.